American Inventor, 1. April, 1902, S. 1-2

Übersetzung aus dem Englischen: Unleserliches mit "xx" gekennzeichnet.

(Weißkopf-Zitate in schräger Fettschrift - siehe weiter unten)

 

THE AMERICAN INVENTOR

 

WASHINGTON D.C., 1. April, 1902



 

Briefe an die Redaktion

 

DIE WEISSKOPF FLUGMASCHINE

 

Wurden das Ziel endlich erreicht, und muss sich der Lenkballon verabschieden?

 

An den Redakteur des American Inventor!

 

Mein sehr geehrter Herr!

 

In Beantwortung Ihres neulichen Briefes, freut es mich sehr, Ihnen nachstehende Beschreibung meiner Flugmaschine Nr. 22, die neueste, die ich konstruiert habe, zuzusenden.

 

Diese Maschine wurde innerhalb von vier Monaten unter Zurhilfenahme der Dienste von vierzehn erfahrenen Mechanikern. Deren Bau kostete zirka $ 1.700. Sie wird durch einen 40 PS Dieselmotor eigener Bauart angetrieben, der gezielt auf Robustheit, Leichtigkeit und Leistungsstärke hin konstruiert wurde, jedoch insgesamt nur 120 Pfund wiegt. Wenn erforderlich, kann er für über eine Woche konstant laufen, ohne dabei zu stottern, anzuhalten oder den Betreiber in irgendeiner Weise zu stören. Keine elektrische Gerätschaft wird zum Zwecke der Zündung benötigt. Die Zündung wird vielmehr durch dessen eigene Hitze und Kompression bewerkstelligt. Er läuft mit zirka 800 Umdrehungen pro Minute, hat fünf Zylinder und verfügt über kein Schwungrad. Er hat die Maße, 16 Zoll breit, 4 Fuß lang und 16 Zoll hoch.

 

Die eigentliche Flugmaschine ist wie meine Maschine Nr. 21, von welcher ich Ihnen bereits Fotos zusandte. Doch statt Acetylen-Gas zum Antrieb einzusetzen, verwende ich den oben beschriebenen Dieselmotor. Die Maschine Nr. 22 besteht größtenteils aus Stahl und Aluminium. Der Rumpf ist 16 Fuß lang, 3,5 Fuß breit und 3,5 Fuß hoch, wie ein Fisch geformt und auf vier Automobilrädern mit einem Durchmesser von jeweils 13 Zoll, montiert. Während sie auf dem Boden ist, sind die zwei Vorderräder an den Dieselmotor angeschlossen, während die zwei hinteren der Steuerung dienen. Der Pilot kann sie leicht lenken. Der Rumpf ist aus Stahlrohr und mit Stahldraht verstärkt. Es ist mit Aluminium-Blech bespannt und so beschaffen, dass er wie ein Boot im Wasser schwimmt. An den Seiten befinden sich große Flügel bzw. Tragflächen, die die Form eines fliegenden Fisches oder einer Fledermaus aufweisen. Die Rippen der Nr. 22 sind aus Stahlrohr statt wie in der vormaligen Nr. 21 aus Bambus, und sind mit 450 Quadratfuß der feisten erhältlichen Seide bespannt. Vor den Flügeln und quer über dem Rumpf befindet sich ein Rahmengestell aus Stahl, auf welchem die zum Vortrieb durch die Luft vorgesehenen Propeller montiert sind. Die Propeller haben ein Durchmesser von 6 Fuß und einer Blattfläche von jeweils 4 Quadratfuß. Sind sind aus Holz und mit einer sehr dünnen Aluminiumschicht überzogen. Die Propeller erzielen bei Vollast zirka 600 Umdrehungen pro Minute und drehen sich in entgegen gesetzter Richtung zu einander. Bei Vollast erzeugen sie einen Schub von 508 Pfund. Disen Schub habe ich mittels Dynamometer gemessen, indem ich die Maschine an einen Pfosten festzurrte und dabei die Motoren mit voller Leistung laufen ließ. Es gibt einen Mast und einen Bugspreit sowie eine Takelage in etwa wie die eines Schiffs, die alle Teile an der richtigen Position in Relation zu einander hält. Am Heck der Maschine befindet sich ein 12 Fuß langes Leitwerk, in etwa wie die Schwanzfederung eines Vogels, welches, wie die Flügel, innerhalb von einer halben Minute zusammen gefaltet und seitlich an den Rumpf angelegt werden kann. Eine automatische Vorrichtung gewährleistet die Stabilität in der Luft.

 

Dies wird in den [beigefugten] Diagrammen illustriert, in welchen gleiche Buchstaben, die jeweils gleichen Teile, sowohl in der Draufsicht als auch in der Seitenansicht kennzeichnen. 'H' kennzeichnet den Rumpf der Maschine, in dem sich der Motor (nicht eingezeichnet) befindet, der wiederum auf dem Boden durch die Räder gestützt wird ('M'), und der das Leitwerk ('K') trägt. 'F' kennzeichnet den Bugspreit, auf dem der Hebel ('C') montiert ist, der wiederum das kleine Canard-Höhenruder ('E') stützt. Der Hebel ('C') ist durch die Steuerstange ('B') mit dem Pendel ('G') verbunden, an dessen untersten Ende das Gewicht ('A') hängt. Klar zu sehen ist, dass das Canard-Höhenruder ('E') durch das Gewicht ('A') gekippt wird für den Fall, sich der Bug der Maschine absenkt. Die Hebelwirkung am Ende des Bugspreits auf die Mitte der Maschine ist derart groß, dass sie bei der geringsten Veränderung der Fluglage effektiv ist. Mittels des Bedienhebels ('D') unterliegen derartige Bewegungen der unmittelbaren Kontrolle des Piloten. (In den vorliegenden Diagrammen werden die Flügel nicht gezeigt.)

 

Um zum Flug anzusetzen, wird zunächst der Motor in Gang gesetzt. Dieser ist mit den Vorderrädern verbunden, die die Maschine mit einer beängstigenden Geschwindigkeit vorwärts treiben. Ist man zum Abheben bereit, so wird eine Feder entriegelt, die die Flügelbespannung festzurrt und die propeller werden mittels eines Hebels der mden Antrieb der Bodenräder unterbindet und die Kraft auf die Propeller umleitet. Mit der zusätzlichen Beladung eines Insassen (zirka 180 Pfund) wird eine Startstrecke von zirka 20 Metern benötigt, bevor die Maschine den Boden verlässt. 

 

Diese neue Maschine wurde am 17. Januar 1902 zweimal ausprobiert. Es war beabsichtigt nur kurze Strecken zu fliegen, aber die Maschine verhielt sich beim ersten Versuch so gut, dass sie fast zwei Meilen über das Gewässer des Long Island Sound zurücklegte und danach auf dem Wasser aufsetzte, ohne dass hierbei die Maschine oder den Piloten Schaden nahmen. Sie wurde sodann zum Startplatz zurück geschleppt. Beim zweiten Versuch wurde vom gleichen Platz aus gestartet und sie segelte mit mir selbst an Bord über dem Long Island Sound. Die Maschine flog stetig geradeaus, den Wind in etwa 200 Fuß Höhe kreuzend, als mir der Gedanke kam zu versuchen, einen Kreis zu steuern. Sobald ich das Ruder drehte und einen Propeller schneller als den anderen laufen ließ, drehte die Maschine in eine Kurve und flog mit dem Wind mit einer beängstigenden Geschwindigkeit nordwärts, sie drehte sich jedoch stetig weiter , bis ich den Startplatz in der Ferne sah. Ich drehte weiter, aber in der Nähe der Küste verlangsamte ich die Propeller und sank sanft auf ebenem Kiel ins Wasser; sie schwam problemlos wie ein Boot. Meine Männer zogen sie dann aus dem Wasser; und nachdem der Tag zu Ende ging und das Wetter sich verschlechterte, beschloss ich, sie bis zum Frühjahr heim zu schaffen.

 

Die beim ersten Erprobungsflug zurückgelegten Strecke betrug zirka zwei Meilen und beim zweiten zirka sieben Meilen. Beim Letzteren handelte es sich um einen Rundkurs, bei dem ich erfolgreich in einer bis dahin noch nicht erprobten Maschine, die schwerer als Luft ist, zu meinem Startpunkt  zurückgeflogen bin, was mich veranlasst, den Flug als Erfolg werte. Nach meiner Kenntnis war es der erste, solche Flug. Hierüber wurde bislang noch nicht berichtet.

 

Ich habe noch keine Fotos von der Nr. 22 gemacht. Ich sende Ihnen daher welche von der Nr. 21, da diese Maschinen identisch sind bis auf die vorhin erwähnten Details. Die Nr. 21 hat bereits vier Flüge gemacht, der längste davon über eineinhalb Meilen am 14. August, 1901.  Die Spannweite beider Maschinen beträgt 36 Fuß und die Länge der Gesamtmaschine beträgt 32 Fuß. Auf dem Boden fährt sie 50 Meilen pro Stunde und in der Luft zirka 70 Meilen pro Stunde. Ich glaube, wenn ich es wollte, würde sie in der Luft 100 Meilen pro Stunde fliegen. Denn die verfügbare Kraft beträgt weit mehr als notwendig.

 

Da ich - wie Maxim - daran glaube, dass die Zukunft von Flugmaschinen Geräten ohne Gas-Säcken gehört, so habe ich mich auf das Flugzeug festgelegt und werde solange daran bleiben bis ich vollends erfolgreich bin oder beim Versuch  darauf gehe. Sobald ich meine Maschine im kommenden Frühling betriebsbereit gemacht habe, werde ich Sie benachrichtigen. Es ist fast unmöglich, das Gefühl des Fliegens zu beschreiben, denn - mehr als alles andere - hat man dabei eigentlich Angst. 

 

Ich hoffe, dass dies für Ihre Leser vom Interesse ist und verbleibe,

 

mit freundlichen Grüßen

 

GUSTAVE WHITEHEAD

 

Bridgeport, Conn.

 

Der Redakteur konnte kaum fassen, dass jemand, wie oben berichtet, tatsächlich in einer Maschine, schwerer-als-Luft, erfolgreich geflogen ist. Er schrieb Herrn Whitehead daher erneut an, und bat ihn hierfür um Bestätigung. Die Antwort Whiteheads folgt:

Der Redakteur, American Inventor

 

Mein sehr geehrter Herr!

 

Ihren Brief vom 20. habe ich erhalten. Ja, es handelte sich dabei um eine lebensgroße Flugmaschine, in dem ich selbst sieben Meilen retour an meinen Startpunkt flog. Bei beiden in meinem letzten Brief beschriebenen Flüge bin ich selbst in der Maschine mitgeflogen. Dies ist freilich etwas Neues für die Weltöffenlichkeit. Ich lege jedoch wenig Wert auf dessen Verbreitung, außer natürlich durch ein gutes Blatt wie das Ihre. Solche Meldungen mögen andere Ermutigen, die parallel daran arbeiten. So bald wie möglich, werde ich erneut fliegen. Kommenden Frühling werde ich Fotografien der Nr. 22 in der Luft machen lassen und Ihnen, während des Fluges aufgenommene Bilder zukommen lassen. Wenn Sie hierher kommen und sie selbst einfangen können, umso besser. Ich habe es zwar selbst versucht, doch beim ersten Testflug war das Wetter schlecht - ein wenig Regen und ein sehr bewölkter Himmel - so dass die gemachten Schnappschüsse nichts geworden sind. Aufgrund von deren hohen Geschwindigkeit kann ich keine länger andauernden Belichtungen von der Maschine im Flug anfertigen. 

 

Ich lege eine kleine Skizze bei, die jenen Kurs zeigt, den die Maschine während ihres längsten Fluges am 17. Januar, 1902 machte. In der Hoffnung, Ihre Frage damit zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben verbleibe ich

 

mit freundlichen Grüßen

 

GUSTAVE WHITEHEAD

Bridgeport Conn.

 

(Zeitungslesern werden einige Berichte über die Leistungen Whietehads im vergangenen Sommer erinnerlich sein. Die meisten Menschen hielten sie wahrscheinlich für eine Ente. Es scheint jedoch so als ob die lange-gesuchte Antwort auf die schwierigste Frage, die die Natur dem Menschen stellte, langsam in Sichtweite rückt. Die Ähnlichkeit dieser Maschine mit der experimentellen Maschine Langleys wird anschaulich in der beiligenden Illustration - aus einer früheren Ausgabe stammend und hier erneut wiedergegeben - gezeigt. Es wird daran erinnert, dass Hr. Langley der erste war, der die Möglichkeit des mechanischen Fluges vorführte. Red.)